Jobs to Be Done (JTBD) im Product Design: Grundlagen und Best Practices

Lukas Rütten • 16.07.2024
Lukas Rütten

Jobs to Be Done (JTBD) ist ein Framework, das darauf abzielt, die Motivation der Nutzer:in zu verstehen, indem es die spezifischen Aufgaben identifiziert, die sie erledigen möchten. Dies fördert gezielte Innovationen und eine ergebnisorientierte Produktentwicklung.

Illustration showcasing the "Jobs to Be Done" (JTBD) framework with various food items such as a milkshake, Snickers, donut, banana, and bagel

Kurz und knapp

  • Das Jobs to Be Done (JTBD)-Framework konzentriert sich darauf, die Motivationen der Nutzer:innen zu verstehen, indem es die spezifischen Aufgaben identifiziert, die sie erreichen möchten.
  • Es hilft Produktteams, gezielte Innovationen voranzutreiben, indem die Produktentwicklung auf die gewünschten Ergebnisse der Nutzer:innen abgestimmt wird.
  • JTBD betont außerdem die Segmentierung von Nutzer:innen basierend auf Aufgaben statt auf demografischen Merkmalen und unterstreicht die Bedeutung der Berücksichtigung emotionaler, sozialer und funktionaler Aufgaben, um nutzerzentrierte Produkte zu schaffen.

Was ist JTBD?

Jobs to Be Done (JTBD) ist ein nutzerzentriertes Framework, das die Motivation und Ziele von Nutzer:innen erfasst, indem es die spezifischen Aufgaben (Jobs) identifiziert, die sie erledigen wollen. Ein „Job“ ist definiert als der Prozess, ein Ziel in einem bestimmten Kontext zu erreichen. Dieser Ansatz verlagert den Fokus vom Produkt hin zum Problemlösungsprozess der Nutzer:innen. Er betont, dass Menschen Produkte und Services nutzen, um ihren Aufgaben zu erledigen, und nicht, um mit dem Produkt oder dessen Anbieter zu interagieren.

Wir können die Produkte von morgen nicht entwickeln, wenn wir uns auf die Bedürfnisse und Erwartungen beschränken, die mit den Produkten von heute verbunden sind. Stattdessen sollten wir uns auf das konzentrieren, was sich für die Kunden nie ändert: ihr Wunsch nach Fortschritt.

Alan Clement
When Coffee and Kale Compete

Was ist ein Beispiel für einen Job im JTBD-Framework?

Ein bekanntes Beispiel ist das Milkshake-Beispiel, bei dem McDonald’s herausfand, dass Kunden Milkshakes für einen ganz bestimmten Zweck während ihrers morgendlichen Pendelfahrtenns zur Arbeit „engagierten“: um sich die Zeit zu vertreiben. Zuvor hatte McDonald’s bereits versucht, den Milkshake-Umsatz zu steigern, indem sie diese günstiger, dickflüssiger und schokoladiger machten. Diese Maßnahmen erzielten jedoch nicht den gewünschten Erfolg.

Die JTBD-Analyse ergab, dass Milkshakes in direkter Konkurrenz zu Bananen (zu schnell konsumiert), Donuts (zukrümelig und fleckenverursachend), Bagels (trocken und geschmacklos) und Snickers-Riegeln (Schuldgefühle auslösend) standen. Die Analyse zeigte auch, dass die Kunden Milkshakes bevorzugten, die unterwegs länger vorhielten. Um die Attraktivität zu erhöhen, machte McDonald’s die Milkshakes zugleich dickflüssiger und fügte Fruchtstücke hinzu. Dies führte zu einer siebenfachen Steigerung des Milkshake-Umsatzes im Vergleich zu den ursprünglichen Erwartungen von McDonald’s vor der JTBD-Analyse.

Warum ist JTBD wichtig?

JTBD betont einen Ansatz, der sich auf die spezifischen Ziele der Nutzer:innen und den einschränkenden Kontext konzentriert, anstatt lediglich Produktmerkmale zu implementieren oder zu verbessern. JTBD hilft Produktteams, ein tieferes Verständnis für die Motivation und Herausforderungen ihrer Nutzer:innen zu gewinnen, indem es die genauen Aufgaben identifiziert, die Nutzer:innen erledigen möchten. Dies ermöglicht es ihnen, gezieltere und bedeutungsvollere Innovationen zu entwickeln, anstatt nur auf den Erfolg des nächsten Features zu setzen.

JTBD verbessert die Usability, indem es zeigt, wie Nutzer:innen mit dem Produkt interagieren, Herausforderungen aufdeckt und Bereiche für Verbesserungen identifiziert. Dieser Fokus fördert ergebnisorientierte Innovationen (outcome-driven innovation), stellt sicher, dass neue Funktionen einen relevanten Mehrwert bieten und verbessert gleichzeitig den Produkterfolg sowie die Marktdifferenzierung. Organisationen, die eine Value Proposition auf Basis von JTBD definieren, können effektiver die wesentlichen Nutzungsbedürfnisse erfüllen.

JTBD passt auch gut zu modernen Ansätzen wie Design Thinking, agilen Praktiken und Lean-Startup-Prinzipien und verbessert deren Zusammenwirken. Durch das Bereitstellen eines umfassenden Verständnisses der Aufgaben von Nutzer:innen erhöht JTBD die Effektivität dieser Methoden und führt zu besseren Ergebnisse in der Produktentwicklung.

Wie identifiziert man einen Job?

Um eine Aufgabe zu identifizieren, konfrontiert man sich direkt mit den Nutzer:innen durch Methoden wie JTBD-Interviews oder ethnografischen Beobachtungen. Diese Ansätze helfen dabei, die tatsächlichen Aufgaben zu entdecken, die die Nutzer:innen erledigen möchten, sowie den Kontext, in dem diese Aufgaben entstehen. Zudem werden die Kräfte ermittelt, die die Nutzer:innen zu einer Lösung hinziehen oder davon abhalten, die Kompromisse, die sie eingehen, und die Ziele, die sie anstreben. Nutze die Insights der JTBD-Analyse, um Ideen für neue Funktionen oder Produktverbesserungen zu generieren.

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Produktentwicklung mit JTBD-Prinzipien fördert Innovationen

Jobs to be Done beeinflusst die Produktentwicklung erheblich, indem es einen klaren, nutzerzentrierten Entscheidungsrahmen bietet:

  • Aufgaben identifizieren, um Chancen und Geschäftspotenzial zu entdecken: Beginne mit der Identifizierung der Hauptaufgabe, die Nutzer:innen erledigen möchten – durch qualitative Forschungsmethoden wie JTBD-Interviews und Beobachtungen. Dies führt zu gezielter Produktinnovation und -adaption, da du genau weißt, welche Probleme die Nutzer:innen lösen möchten. Ressourcen werden besser genutzt, indem die Anstrengungen auf die wichtigsten Aufgaben konzentriert werden, was zu einer größeren Marktreichweite führt, da Produkte und Services bereitgestellt werden, die speziell auf die Aufgaben der Zielgruppe zugeschnitten sind.
  • Aufgaben und Ergebnisse priorisieren, um Roadmaps und Feature-Entwicklung zu informieren: Definiere die gewünschten Ergebnisse für jede identifizierte Aufgabe. Eine klare Formulierung dieser Aufgaben und Ergebnisse schafft einen konkreten Kriterienkatalog, den das Produkt erfüllen muss, und stellt sicher, dass Design- und Entwicklungsbemühungen auf das wirklich Wichtige für die Nutzer:innen ausgerichtet sind. Priorisiere sie basierend auf ihrem Einfluss und der User Experience mit bestehenden Lösungen. Dies ermöglicht es, sich auf die kritischsten Bereiche oder die größten Potenziale zu konzentrieren.
  • Eine Value Proposition erstellen, die bei der Zielgruppe Anklang findet: Nutze JTBD-Insights, um deine Value Proposition zu verfeinern und zu optimieren, und stelle sicher, dass sie die wichtigsten Aufgaben und Ziele deiner Nutzer:innen adressiert.
  • Ziele definieren und Stakeholder ausrichten: Teile JTBD-Insights mit allen Stakeholdern, die an der Produktentwicklung beteiligt sind, wie Designer:innen, Entwickler:innen, Marketing-Mitarbeiter:innen, Produktmanager:innen und anderen Teammitgliedern. Dies fördert die abteilungsübergreifende Abstimmung und Zusammenarbeit und stellt sicher, dass alle auf die gleichen Ziele hinarbeiten und von einer gemeinsamen Vision motiviert sind – nämlich, das Leben eurer Kunden zu verbessern.
  • Success Metrics und die Definition of Done festlegen: Indem du jede Kennzahl mit einer spezifischen Aufgabe, einem gewünschten Ergebnis und einem Kontext verknüpfst, kannst du die wichtigsten Key Performance Indicators(KPIs) verbessern und den Erfolg deiner Aktivitäten effektiver bewerten. Richte Metriken wie ODI-Surveys, User Experience Scores und Analytics ein, um zu bewerten, wie gut dein Produkt mit den identifizierten Aufgaben und Ergebnissen übereinstimmt. Dies führt zu einer nutzerzentrierten Definition of Done und stellt sicher, dass das Produkt tatsächlich das Leben der Nutzer:innen vereinfacht.

Einsatz von JTBD-Insights zur Verbesserung der User Experience

Das Wissen über die Ziele, Aufgaben und Kontexte der Nutzer:innen hilft UX-Designer:innen, Lösungen zu schaffen, die die Erwartungen der Nutzer:innen übertreffen und bessere Experiences bieten:

  1. Zielgruppensegmentierung: Im Gegensatz zur traditionellen Segmentierung basierend auf demografischen Merkmalen und vermeintlich „empathischen“ Stereotypen konzentriert sich die Segmentierung nach Job Performer:innen auf die spezifischen Aufgaben, die die Nutzer:innen erledigen möchten. Beginne damit, deine Zielgruppe mit JTBD-Erkenntnisse zu segmentieren. Deine Nutzer:innen gehören wegen ihrer gemeinsamen Aufgaben zum selben Segment. Aufgaben, die nur von einigen geteilt werden, führen zu unterschiedlichen Segmenten. Es spielt keine Rolle, wer die Aufgabe ausführt (gemessen an demografischen oder emphatisch ermittelten Merkmalen). Ziel ist es, allen, die die Aufgabe so gut wie möglich erledigen möchten, gerecht zu werden. Indem du dich auf die Job Performer:innen konzentrierst, wirst du eher Gemeinsamkeiten als Unterschiede bemerken.
  2. Die Message gestalten: Verwende JTBD-Daten, um ein Design-Narrativ zu entwickeln, das sich auf die wichtigsten Aufgaben deiner Nutzer:innen konzentriert. Dies stellt sicher, dass Interaktionen und Interfaces funktional, intuitiv und relevant sind. Erkläre, wie das Bereitstellen dieses Produkts, dieses Services oder dieser Funktion das Leben der Nutzer:innen verbessert. JTBD hilft uns, Outcomes zu etablieren, die Nutzer:innen in den Mittelpunkt des Designprozesses stellen. Nutze diese nutzerzentrierten Outcomes, um deine Stakeholder um spezifische UX-Ziele zu vereinen. Das Erreichen dieser Ziele wird auch die Geschäftsergebnisse verbessern. Wenn die Ziele der Nutzer:innen auf diese Weise mit dem Senior Management diskutiert werden, können Design Leader eine verbesserte User Experience mit wichtigen Geschäftskennzahlen wie erhöhter Customer Retention und neuen Abonnements verknüpfen.
  3. Gestalten, wie eine Aufgabe erledigt wird: Mithilfe von JTBD-Daten kannst du ein umfassendes Verständnis der Schritte gewinnen, die erforderlich sind, um eine Aufgabe aus der Sicht der Nutzer:innen zu erledigen. Dieses Verständnis trägt zur Erstellung intuitiver Workflows und Interfaces bei, die dem natürlichen Fortschritt der Aufgabe folgen. Indem du die Pain Points und Challenges identifizierst, mit denen Nutzer:innen konfrontiert sind, kannst du Lösungen schaffen, die diese Herausforderungen direkt adressieren und ausmerzen. Du kannst auch Ergänzungen als Gain Creator einführen, die Nutzer:innen möglicherweise nicht erwarten, aber  begeistern werden. Diese adressieren die emotionalen und sozialen Dimensionen einer Aufgabe, schaffen besondere Highlights und bereichern die gesamte User Experience.

Best Practices für die Anwendung von JTBD im Product Design

Berücksichtige bei der Anwendung von JTBD im digitalen Produktdesign diese Best Practices:

  • Fokus auf die Aufgabe, nicht auf das Produkt: Konzentriere dich auf die Aufgaben, die Nutzer:innen erledigen möchten, anstatt auf Produktmerkmale. Diese Perspektivenverschiebung hilft, den größeren Kontext zu verstehen, in dem Nutzer:innen nach Fortschritt streben.
  • Segmentierung nach Aufgaben, nicht nach Demografie: Gruppiere deine Erkenntnisse basierend auf den Aufgaben, die Nutzer:innen erledigen möchten, und nicht nach traditionellen demografischen Segmentierungen. Dieser Ansatz führt oft zu wertvolleren Insights für die Produktentwicklung und das Marketing.
  • Emotionale und soziale Aufgaben identifizieren, nicht nur funktionale Anliegen: Nutzer:innen haben häufig Aufgaben, die emotional („hilf mir, mich zu fühlen...“), sozial („hilf mir, wahrgenommen zu werden als...“) und funktional („hilf mir zu...“) sind. Das Verständnis der emotionalen und sozialen Dimensionen einer Aufgabe kann dir helfen, das Verhalten der Nutzer:innen, ihre Präferenzen und die zugrunde liegende Motivationen besser zu verstehen.
  • Verwende das Wheel of Progress, anstatt unstrukturierte Interviews zu führen: Das Wheel of Progress gibt JTBD-Interviews Struktur, was es einfacher macht, Informationen zu vergleichen und auszuwerten und das richtige Detailniveau zu wählen.
  • Nach Opportunity Score priorisieren, nicht nach Bauchgefühl: Um Robustheit zu gewährleisten, quantifiziere und bestätige deine qualitativen Insights. Verwende den Opportunity Score, um die wichtigsten Aufgaben und gewünschten Ergebnisse basierend auf ihrem Impact und der User Experience zu priorisieren.
  • Die Aufgabe validieren, nicht das Konzept: Hör auf, dein Konzept zu validieren; belege stattdessen, dass deine Lösung die richtigen Aufgaben und Ziele adressiert.

Fazit

Jobs to be Done überzeugt, weil es den Blick aufs Wesentliche richtet und Produktentwickler:innen ermöglicht, sich auf das eigentliche Ziel der Nutzer:innen zu fokussieren – auf den gewünschten Fortschritt, und nicht auf das Produkt selbst. Leute kaufen Dinge nicht, um sie zu besitzen; sie nutzen Produkte und Services, um konkrete Probleme zu lösen oder ihr Leben auf sinnvolle Weise zu verbessern. Jobs to be Done hilft, sich in ihre Lage zu versetzen und zu verstehen, wie sie ihre individuellen Herausforderungen bewältigen. Die technischen Details eines Produkts sind nicht so wichtig wie die Frage, ob es den Nutzer:innen dabei hilft, ihre Ziele auf eine Weise zu erreichen, die zu ihrem Kontext passt.

Produkte dienen als Werkzeuge für Veränderung, die Nutzer:innen helfen, emotionale, soziale und funktionale Herausforderungen zu meistern. Im Kern von Jobs to be Done steht die Idee, dass Menschen Fortschritt machen wollen – und nicht nur Produkte zu konsumieren. Dieser Ansatz stellt die herkömmliche Produktentwicklung auf den Kopf. Design ist mehr als eine Frage von Ästhetik oder Usability – es geht darum, Nutzer:innen zu ermöglichen, ihre Ziele zu erreichen.

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